Das marokkanische Tagebuch, Oktober 2007
Auch wenn an diesem Tag das Zugprogramm nicht so früh wie sonst beginnt sind wir früh unterwegs, da wir es zumindest probieren wollen, ob ein Besuch im Bw möglich ist. Unser Gepäck deponieren wir im Hotel, denn am Abend werden wir Oujda per Zug verlassen, und machen uns dann auf den Weg. Auf der Brücke, die über das Bahnhofsgelände zum Bw führt, steht aber bereits die unvermeidliche Security, die uns nicht einlässt. Es ist immer noch Feiertag und dementsprechend niemand im Bw, der uns „empfangen“ könnte. Auch das Fotografieren in Richtung Bahnhof ist von der Brücke nicht gestattet, in die andere Richtung aber schon. Zum Glück, denn in diesem Moment erreicht der Express 203 Oujda, ein Zug, der lt. Fahrplan seit Mitte September nicht mehr verkehren soll... Irgendwie erschließt es sich uns jetzt endgültig nicht mehr, welcher Zug wann fährt (von denen, die täglich fahren, einmal abgesehen).
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| Das erste Bild des Tages: DH-366 mit Zug 203 in der Einfahrt nach Oujda. Die Gleise in der Mitte führen zur geschlossenen algerischen Grenze. |
Wir umrunden dann noch einmal weiträumig das Bw-Gelände aber es gibt keine Stelle zum „Einsickern“. Also fahren wir ein paar Kilometer der Strecke entlang aus der Stadt hinaus und postieren uns im Schatten einiger Bäume an einer günstigen Fotostelle, die auch den direkten Start zur Verfolgung des Güterzuges bietet. Die Wartezeit nutzen wir zu einem Telefonat mit der Mietwagenagentur. Wir können am Nachmittag den Wagen im Büro in der Stadt, das sich direkt neben Bahnhof und Hotel befindet, abgeben und müssen nicht – wie es die Internetbuchung vorgab – raus zum Flughafen, praktisch. So warten wir auf den Güterzug, der nicht um 10:00 Uhr, auch nicht um 10:30 Uhr und erst recht nicht um 11:00 Uhr kommt und uns wird klar, dass er heute entgegen der Auskunft vom Vorabend auch wieder ausfällt, Feiertag halt. Die Konsequenz ist: Es bleibt uns nur noch der Express 204, Oujda ab 13:10 Uhr, mehr wird es heute nicht geben, denn um 16:00 Uhr will der Vermieter das Auto zurück haben. Und so ist der fotomäßige Verlauf des Tages recht schnell erzählt: Nach insgesamt vier Stunden Warten erlegen wir am Stadtrand von Oujda DH-360 mit dem Express nach Fez, nach der Vorbeifahrt rein ins Auto, hinterhergerast nach El Aioun, dort der zweite Abschuss, Feierabend.
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| Das zweite Bild des Tages: DH-360 mit Zug 204 am Stadtrand von Oujda. |
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| Das dritte und letzte Bild des Tages: Dh360 mit Zug 204 bei El Aioun. |
Die Rückfahrt nach Oujda auf den weiterhin leeren Straßen geht dann sehr zügig und so bleibt noch Zeit für einen touristischen Abstecher. Wir durchqueren die Stadt und schauen uns die unmittelbar hinter Oujda liegende Grenze zu Algerien an, die seit mehreren Jahrzehnten für jedweden Verkehr gesperrt ist. Für einen Deutschen ist der hermetisch abriegelnde Grenzposten ein bekanntes, inzwischen aber zum Glück vergangenes, Bild. Punkt 16:00 Uhr stehen wir dann im Büro des Autovermieters, der örtliche Vertreter im Gegensatz zu seinem Kollegen aus Rabat in der landestypischen Tracht (dem Feiertag geschuldet?), die für die mitteleuropäischen Augen in ziemlich krassem Gegensatz zum Computer-Equipement des Büros und den neuen Autos steht. Auch dieser Programmpunkt ist dann schnell abgehakt und wir drehen noch eine kleine Runde durch die Stadt, um uns für die Schlafwagenfahrt mit Proviant (Erdnüsse und Kekse) einzudecken. Mit Einbruch der Dunkelheit sind wir wieder im Ibis zum Abendessen und nach dem Mahl wartet noch ein Highlight auf uns, das ich im folgenden in Form der textlichen Darstellung eines Theaterstückes wiedergeben will. Hintergrund ist unser Wunsch, an der Bar noch ein paar Flaschen Bier für die Schlafwagenfahrt mitzunehmen.
Wir:
„Wir hätten gerne vier Flaschen Bier!“
Barkeeper:
„Auf welches Zimmer?“
Wir:
„Nein, kein Zimmer, wir reisen jetzt ab!“
Barkeeper:
„Dann kann ich Ihnen kein Bier verkaufen!“
Wir:
“Wirklich nicht? Warum?“
Barkeeper:
„Außer Haus darf ich kein Bier verkaufen!“
Wir
vermuten, dass es einfach verboten ist, in der Öffentlichkeit, z.B. auf dem
Bahnhofsvorplatz, Alkohol zu trinken und der Barkeeper deshalb Außer-Haus-Verkauf
ablehnt.
Wir:
„Wir reisen gleich mit dem Nachtzug ab. Dort haben wir ein eigenes Abteil, es
sieht niemand, wenn wir dort Alkohol trinken!“
Der
Barkeeper geht fort und kommt kurz darauf mit dem Portier und dem Türsteher von
der Security zurück. Die drei beratschlagen.
Portier:
„Wie viele Flaschen wollen Sie?“
Wir:
„Vier, bitte.“
Der
Portier erteilt dem Barkeeper den Auftrag, vier Flaschen zu holen, wir bezahlen
unsere 80 Dirham und der Portier ermahnt uns, indem er mit seinen Händen
Handschellen formt, zur Vorsicht.
Portier:
„Und wie transportieren Sie die Flaschen?“
Wir:
„So.“
Wir
nehmen eine blickdichte Plastiktüte, stellen die Flaschen hinein und beim
Anheben kommt es zu den üblichen, klirrenden Geräuschen.
Portier:
„Nein, nein, so geht das nicht!“ (er deutet auf einen unserer Rucksäcke)
Wir
verstauen dann die Tüte in den Rucksack und nun vollzieht sich der Transport
geräuschlos. Wir gehen hinüber zum Bahnhof, wo auf dem Bahnsteig kaum noch ein
Durchkommen ist, auch in Marokko gibt es wohl das Phänomen des
Feiertagsverkehrs, nur gut, dass wir rechtzeitig reserviert haben. Der Zug wird
bereitgestellt, wir entern den Schlafwagen und sind positiv überrascht, denn
gegenüber dem, was die ONCF hier anbietet, sind die aus Frankreich erworbenen
und in Meknes auf ihren Einsatz wartenden T2 ein eindeutiger Rückschritt. Wir
richten uns ein und genießen bei Erdnüssen und Bier (das wir erst nach
hermetischem Abschluss der Tür auspacken) die Fahrt durch die nächtliche
Wüste.