Das marokkanische Tagebuch, Oktober 2007
Wieder geht es früh raus, denn wir wollen den Tag erneut mit dem Frühzug Taza-Fez beginnen. Da wir früh dran sind fahren wir in Oued Amlil an den Bahnhof, um uns nach dem Verkehren der Güterzüge zu erkundigen, eine Frage, die nur mit einem erstaunten „Güterzüge? Heute?“ beantwortet wird. Tja, Ramadan ist vorbei und nun erwarten uns zwei Feiertage ... Wenigstens verkehrt der Frühpersonenzug mit DH-374, den wir bei Douar Sefa vor dem Hintergrund der alten Trasse aus Schmalspurzeiten erwischen. Der Ausfall der Güterzüge macht allerdings den Plan zunichte, güterzugverfolgend Richtung Osten zurückzukehren, stattdessen sind ein paar Stunden Zugpause angesagt. Also gondeln wir gemütlich auf der Straße Richtung Taza und Guercif. Ein Gutes hat der Feiertag: Es sind nicht die üblichen LKW unterwegs und man kommt gut voran, ein Umstand der uns freut, denn insgesamt müssen wir an diesem Tag noch über 200km über die Landstraße bis Oujda. Ein paar Motive entdecken wir entlang des Weges und wir erreichen frühzeitig Guercif, wo wir in die Verfolgung von Zug 202 einsteigen wollen. Auf der Abfahrtsanzeige des Bahnhofes steht er allerdings nicht und die Nachfrage beim Fahrdienstleiter ergibt, dass dieser Zug, der laut Plan IM Ramadan ausfällt – an den Vortagen aber verkehrte – HEUTE tatsächlich ausfällt! Also noch zwei Stunden Zwangspause und die Gewissheit, dass es heute nur noch ein Zugpaar geben wird. Und da wir am Abend in Oujda sein müssen reduziert sich die Zahl der möglichen Abschüsse gewaltig. Wenigstens entdecken wir ein paar Kilometer hinter Taza ein bombastisches Einstiegsmotiv für den 205: Große Steinbrücke, im Vordergrund ein aufgelassener Steinbruch, im Hintergrund eine Bergkette.
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| DH-372 mit Zug 205 kurz hinter Taza. Die niedrigen Pfeiler links vor der vom Zug befahrenen Brücke gehören zur ursprünglichen Trasse der Strecke, als sie noch eine 600mm-Schmalspurbahn war und die Reisezeit quer durch Marokko nicht nach Stunden sondern nach Tagen bemessen wurde. |
In rasender Fahrt geht es dann dem Zug hinterher. So kommen zunächst noch zwei „Null-acht-fuffzehn“-Verfolgerabschüsse heraus bevor kurz vor Taourirt noch mal ein „ordentliches“ Bild der DH-372 mit dieser Leistung entsteht.
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| Kurz vor Taourirt verschreibt der Meister auf DH-372 seiner Maschine noch mal eine ordentliche Portion Diesel, so dass der Wagenzug im Dunst verschwindet. |
Wir entscheiden uns, ihn ab hier ziehen zu lassen und stattdessen an dieser Stelle, d.h. auf dem oben links im Hintergrund sichtbaren kleinen Hügel, auf den Gegenzug (Kreuzung in Taourirt) zu warten. Der erscheint auch recht bald mit einer Doppeltraktion, also wenigstens um 15:00 Uhr ein versöhnlicher Tagesabschluss, mehr Züge wird es heute nicht mehr geben!
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| Gegenzug 204 mit seiner DH-350-Doppeltraktion kurz hinter Taourirt. |
Wir haben somit genügend Zeit, auf dem Weg
nach Oujda nach möglichen Fotostellen für den nächsten Tag Ausschau zu halten
und inspizieren auch den Bahnhof Oued Metlili, an dem zweimal täglich von Oujda
kommende Schotterzüge entladen werden. Er hat dafür eine eigene DM-Rangierlok,
ansonsten ist aber dort nichts los: Bahnhof, ein kleiner Bauhof und das war’s. Während wir das Ganze inspizieren verfolgt
uns die ganze Zeit ein Jugendlicher, offenbar Bewohner des Bahnhofes. Er sagt
kein Wort, läuft nur hinterher und glotzt, irgendwie gespenstisch. Bei
einbrechender Dunkelheit erreichen wir Oujda. Und da ab heute auch tagsüber
wieder gegessen werden darf haben wir nun Pech. Im Gegensatz zu den Vortagen ist
um 18:00 Uhr nicht Ruhe, weil alle daheim sitzen und essen, jetzt sind zu dieser
Zeit wieder alle auf der Straße. Prompt verpassen wir in einem Kreisel die
richtige Abfahrt zum Bahnhof neben dem das Ibis liegt und dürfen in dem Chaos
eine große Ehrenrunde durch die Stadt drehen, die uns locker 45 Minuten Stress
beschert. Irgendwann sind wir dann aber doch am Hotel und haben „endlich
Feierabend“. Wir nutzen die Zeit noch zu einem kurzen Gang an den Bahnhof,
denn wir wollen in Erfahrung bringen, ob wenigstens morgen wieder Güterverkehr
stattfindet. Der freundliche Fahrdienstleiter greift auch sofort zum Telefon und
ein kurzes Telefonat – wohl mit dem Kollegen vom Güterbahnhof – ergibt,
dass der 10:00-Uhr-Güterzug nach Fez morgen fährt, immerhin etwas.