Das marokkanische Tagebuch, Oktober 2007

 

Freitag, 12.Oktober

 

Das Verkehren des Abendzuges Fez-Taza am Vortag machte uns klar, dass an diesem Morgen auch sein Gegenlauf von Taza nach Fez verkehren muss. Und so eröffnen wir den Fototag mit genau diesem Zug am Haken der DH-355 bei Sidi Harazem. Dann arbeiten wir uns der Strecke entlang vor Richtung Osten auf der Suche nach einem geeigneten Standpunkt für den vormittäglichen Güterzug Oujda-Fez. Wir finden diesen auf einem Hang am Ortsrand von Sidi Abdeljelil mit großartigem Blick auf eine Brücke. Doch auch hier ist die stundenlange Warterei vergebens. Entweder ist der Zug doch ausgefallen oder – was wir für wahrscheinlicher halten – bei einer Fahrzeit von 11 Stunden für die Strecke Oujda-Fez nicht nur ein paar Minuten sondern gleich mehrere Stunde vor Plan unterwegs gewesen. So gibt’s dann nach über zwei Stunden „In-der-Sonne-rumstehen“ nur den Expresszug 202, in dem hinter der DH-Zuglok noch eine grüne Rangierschwester der Reihe DK überführt wird. Nach diesem Schuss gibt es mal wieder eine kleine Hektikphase, denn dieser Zug muss nicht weit von hier mit dem von Fez entgegenkommenden Zug 205 kreuzen und wir haben bei Taouabaa eine schöne S-Kurve entdeckt. So geht es zunächst „sportlich“ dem 202 hinterher und wir erreichen rechtzeitig das ausgewählte Motiv mit der DH mit ihrem langen Zug in grandioser Landschaft. Schnell hinterher erreichen wir den Zug kurz darauf noch ein zweites mal bevor dann die gegenüber der Straße geradere Linienführung der Bahn eine weitere Verfolgung unmöglich macht.

Zug 202 bei Sidi Abdeljelil mit Zug- und Wagenlok.

 

Die S-Kurve bei Taouabaa mit Zug 205 nach Oujda.

 

So gondeln wir in der langen Zugpause gemütlich nach Taza, wo mit der Fahrzeugsammlung für das geplante Museum im ehemaligen AW der nächste Programmpunkt wartet. Aus Kontakten mit anderen Marokko-Reisenden haben wir die Info, dass ein Besuch dieser Anlage nur nach längerem Palaver möglich war. Als wir ankommen sehen wir aber niemand, mit dem es Palaver geben könnte, das Gelände ist völlig verwaist. Wir entschließen uns deshalb für einen schnellen Sprung über die niedrige Mauer und erlegen erst einmal die im Außenbereich abgestellte Baldwin-Lok  DB-405.

Verbotene Bilder, Teil 1: "Altbaulok" DB-405 im Außenbereich des AW Taza.

 

Anschließend umschleichen wir die Halle, deren Tore allesamt zwar nur mit Draht zugebunden sind, allerdings dem von der dickeren Sorte, der sich allein per Hand nicht aufdengeln lässt. Alle Tore? Nein, eins ist wirklich offen und wir dringen in die Halle ein, wo wir neben den beiden E-Loks  E-612  und  E-807  auch den letzten vorhandenen marokkanischen Gasturbinenzug ablichten können. Als wir in der hintersten Ecke bei der  E-807  stehen hören wir plötzlich Schritte. Absolut still verhalten ist die Devise und wir überlegen, wie wir uns verhalten, wenn der vermutete Security-Mensch uns entdecken sollte. Dann sehe ich aber die Geräuschquelle auf dem Dach des Gasturbinenzuges: Ein ca. 12-14-jähriger Junge. Also sofortige Planänderung und umschalten auf sicheres Auftreten. Wir gehen los, er sieht uns und noch nie zuvor habe ich jemanden so schnell rennen sehen wie ihn. Wir haben unsere Bilder im Kasten und entschließen uns, das AW zu verlassen, wer weiß, wem er bei seiner überstürzten Flucht in die Hände laufen könnte. Wenigstens wissen wir aber, wem wir das offene Tor zu verdanken haben: Der Dorfjugend, die wohl in den nächsten Tagen ihren Abenteuerspielplatz erst einmal meiden wird.

Verbotene Bilder, Teil 2: Der Gasturbinenzug in der Halle des AW Taza.

 

Für uns heißt es zurück an die Strecke für den Nachmittagszug nach Fez. Ein paar Kilometer außerhalb der Stadt erlegen wir ihn mehr als Notschuss an einer Stelle, an der Bahn- und Straßenbrücke direkt nebeneinander einen Fluss überqueren. Eine unglücklich gewählte Stelle mit der frontalen Ansicht, denn der Zug ist mit einer Doppeltraktion unterwegs. Auf der Suche nach der Fotostelle gab es dabei wieder einen schönen „Zwischenfall“ mit einem Polizeiposten. Wir verlassen mit unseren Fototaschen das am Straßenrand stehende Auto zum Erkunden einer potentiellen Fotostelle und verwerfen sie aber recht schnell ohne unsere Kameras überhaupt auszupacken. Der rund 100 Meter entfernte Polizeiposten hält uns dann aber an und wirft uns vor, ihn fotografiert zu haben! Aber auch hier hilft wieder „Nix verstehen!“ und die Technik, ihn direkt mit Fahrzeugpapieren, Führerschein etc. zu bombardieren. Im schönsten Sonnenuntergangslicht kommen wir zurück nach Taza und fotografieren da von der das Bahnhofsgelände abgrenzenden Mauer die abgestellte  DH-366, als sich noch einmal die Macht meldet. Ein Eisenbahner bittet Stephan, der gerade auf der Mauer steht, herunterzusteigen und ihm zu folgen. Ich stehe außerhalb, und klettere nicht hinüber sondern folge lieber „außen herum“ mit dem Auto (Wie Stephan mir später sagt hatte er gut zu tun, seinem „Bewacher“ zu erklären, dass das kein „Fluchtversuch“ sei.). Vor dem Betreten des Bahnhofes wechsele ich noch den ohnehin vollen Film und lasse den, zusammen mit den anderen vollen Filmen des Tages, im Auto. Auf dem Bahnsteig treffe ich dann Stephan, der mich aufklärt, dass jetzt noch der Bahnhofschef, der wohl schon Feierabend gemacht hat, geholt wird. Er hat in seiner Kamera den Chip getauscht und jetzt einen komplett leeren drin. Nach ein paar Minuten kommt der Chef und will – schon ganz im Digitalzeitalter verhaftet – nur bei Stephan die Bilder sehen und freut sich über den leeren Chip, da Stephan ihm glaubhaft versichert, schon alles gelöscht zu haben. Die Lage entspannt sich (er scheint auch eher sauer auf seinen Untergebenen zu sein, der ihn aus dem Feierabend geholt hat) und wir fragen ihn nach dem Hintergrund des Fotoverbotes auf Bahnhöfen. Er hat uns gar nicht im Verdacht aber unsere Bilder könnten, wenn wir sie im Internet veröffentlichen, Terroristen beim Vorbereiten von Anschlägen helfen. Wir sagen ihm mal lieber nicht, wie viele Bilder seines Bahnhofes wir schon im Internet gefunden haben und dass es auch noch Google Earth gibt...

Der Fototag ist auf jeden Fall vorbei und wir begeben uns ins Eiffel-Hotel. Nicht ganz der Komfort des Ibis aber das bezieht sich eigentlich nur auf den fehlenden Bier-Ausschank sowie die Tatsache, dass wir absolut allein das Restaurant bevölkern. Nach dem Essen besorgen wir uns in einem nahen Laden noch das Frühstück für den nächsten Morgen sowie ein paar Flaschen Cola für den Fernsehabend auf dem Hotelzimmer, der seinen Höhepunkt aber in der Vorbeifahrt des Abendgüterzuges von Fez mit Zug- und Schublok der Reihe DH hat. Schön, wenn man ein Zimmer mit direktem Blick auf die Bahn hat.

 

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